Liva Haensel: Frau in Flammen

Posted on February 26, 2013 by



 

Vor zwei Jahren, am 21. Februar 2011, übergoss sich Fadwa Laroui (damals 25), eine junge Marokkanerin aus Souk Sebt, mit Benzin und zündete sich auf offener Straße an. Der palästinensische Künstler Amjad Ghannam schreibt über sie:

Fadwa war eines von acht Kindern, sie stammte aus einer armen Familie. Als sie 14 Jahre alt war, wurde sie vergewaltigt und bekam einen Sohn. Der Vater des Kindes erkannte es nie an. Mit 18 Jahren vergewaltigte man sie erneut, dieses Mal bekam sie eine Tochter. Sie bekam ihr Leben irgendwie hin, indem sie als Kellnerin in den Cafés im Souk arbeitete. Als Wiedergutmachung dafür, dass die Stadtverwaltung „Shantytowns“ abgerissen hatten, in denen Fadwas Familie lebte, bekam sie dafür ein alternatives Haus angeboten. Obwohl Fadwas Vater die Zusage dafür bekommen hatte, verweigerte die Stadtverwaltung der alleinerziehenden Mutter ihr Recht auf die Wohnung. Nachdem sie allein sechs Absagen erhalten hat, wird Fadwa beim Bürgermeister vorstellig, um ihr Gesuch zu erneuern. An einem Montag, um 9 Uhr in der Frühe, wird sie schließlich aus dem Amt rausgeschmissen, begleitet von heftigen Beleidigungen. Wieder auf der Straße ruft sie: „I Mmustaash“, „Ich bin nicht verrückt“, und setzt ihren Körper in Flammen, um der Welt offen ihre Wut zu zeigen. Fadwa Laroui ist die erste arabische Frau, die sich selbst in den Flammen tötete – obwohl sie bereits vorher schon viele Male gestorben war.

Laut dem Global Gender Gap Report 2011 nimmt Marokko bezüglich der Situation von Frauen einen der letzten Plätze auf Rang 125 von insgesamt 139 Ländern ein. Demnach sind Frauen im Nahen Osten in puncto Bildung, Gesundheit und wirtschaftliche Teilhabe weltweit am schlechtesten gestellt. Israel ist auf Platz 55, Deutschland auf Platz 11.

In den deutschen Medien ging der Fall Fadwa Laroui gänzlich unter. Sie starb am 23. Februar an ihren Verletzungen in einem Krankenhaus in Casablanca. Das Bild „Fadwa“ kann man derzeit in der Galerie des Khalil Sakakini Cultural Center Ramallah sehen. Es zeigt gerade die Ausstellung „Open Studio“ mit Werken junger palästinensischer Künstler. Mit seinem Bild hat Amjad Ghannam Fadwa Laroui ihr Gesicht zurückgeben,  ihre Würde.

Originaltext:

 http://dreiecksbeziehung.net/2013/02/21/frau-in-flammen/
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